Hendrik Müller: Fürs Fliegen gemacht
Der 17 Jahre alte Stabhochspringer schraubt seine Bestleistung auf 5,35 Meter und holt sich den U18-Vereinsrekord.
Im Altersklassen-Battle mit seinem Klubkollegen und Vorbild Bo Kanda Lita Baehre hat Bayer-Talent Hendrik Müller nun die Nase wieder vorn: Am Wochenende steigerte sich der 17-Jährige in Dortmund auf 5,35 Meter – Nationalmannschafts-Springer Lita Baehre hatte in seinem zweiten U18-Jahr 5,30 Meter geschafft. „In dem Alter ist das eine herausragende Leistung“, lobt Jörn Elberding, der Geschäftsführer der Leichtathletik-Abteilung des TSV Bayer 04 und ehemalige Stabhochsprung-Bundestrainer. Allerdings betont er auch: „Diese Rekorde in jungen Jahren sind toll, aber am Ende zählt der langfristige Erfolg.“
Lita Baehre ist das beste Beispiel. Er war zuletzt stecken geblieben auf seiner Leistungskurve nach oben, es brauchte Geduld und Durchhaltevermögen. Doch in dieser Saison ist er zum 5,90-Meter-Springer aufgestiegen und damit endgültig in der Weltspitze angelangt. Apropos Weltspitze: Die wird vom schwedischen Weltrekordhalter Armand Duplantis dominiert. Und dessen Entwicklung sah so aus: Mit 17 Jahren sprang er 5,51 Meter, mit 18 Jahren 5,90 Meter, mit 19 Jahren 6,05 Meter. Nun ist er 22 Jahre alt, amtierender Olympiasieger, Welt- und Europameister und hat seinen Weltrekord auf 6,22 Meter geschraubt.
Hendrik Müller tut gut daran, den Vereinskollegen und nicht den Schweden als Orientierung für die eigenen Zielvorgaben zu sehen. In seinem ersten U18-Jahr hatte er Lita Baehres Bestmarke aus diesem Alter mit 5,00 Metern schon um zehn Zentimeter überboten. Nun also der nächste Schritt. „Es ist schon ein Ansporn für mich, besser zu bleiben als Bo im jeweiligen Alter“, sagt Müller: „Ich sehe ihn zwar nicht so oft in der Halle, aber ich orientiere mich an seinen Leistungen.“
Begonnen hat Müller seine Karriere beim TSV Bayer 04 bereits mit einem Jahr beim Kinderturnen. Als er da rausgewachsen war, wechselte er zur Leichtathletik. Allerdings war er von Beginn an wählerisch: Das breit angelegten Kindertraining mochte er nur, wenn geflogen wurde. Hochsprung und Stab-Weitsprung, da machte er mit. Ansonsten ging er mit Freunden auf einem Leverkusener Freiplatz Tischtennis und Basketball spielen. Als er elf Jahre alt war, nahm er an einer Sichtung von Stabhochsprung-Nachwuchs-Coach Marvin Caspari teil. Er fiel auf und wurde in dessen Gruppe aufgenommen.
Sechs Jahre später ist er eines der vielversprechendsten Talente des Klubs. Bei der U18-EM zuletzt in Israel wurde er bei schwierigen Bedingungen mit übersprungenen 5,00 Metern Fünfter. „Es war mein erstes Meisterschafts-Finale, ich bin damit nicht todunglücklich“, sagt er. Aber eben auch nicht absolut zufrieden. Anschließend holte er sich noch den Titel bei der Jugend-DM – und musste sich danach erstmal vom Reise- und Nervenstress erholen. „Wir haben einen Trainingsblock eingeschoben, damit Hendrik wieder ein bisschen ins Futter kam“, erzählt Coach Caspari.
Den Wettkampf in Dortmund habe man dann ganz spontan ins Programm aufgenommen. Das Saisonziel Vereinsrekord war ja noch nicht erreicht. „Dass es 5,35 Meter werden, hat aber keiner von uns so richtig erwartet“, betont Caspari. Doch als die Latte entsprechend hoch lag, „hat Hendrik das total im Flow im ersten Versuch sehr souverän rausgeknallt, da waren wir alle ziemliche sprachlos“. Lita Baehre habe Müller geraten, bloß noch keinen Haken an die Saison zu machen, sondern in jedem Wettkampf alles zu geben. „Es ist toll, wie er die jungen Athleten versucht zu pushen, wir sind froh um die Tipps von den großen Jungs“, sagt Caspari.
Der Lohn für Lita Baehre: Seinen U18-Vereinsrekord ist er nun los.
Foto: @paul_gnw