Jonathan Dahlke: "Die 2:12h sind ein realistisches Marathon-Zeitziel"
Unser vielseitiger Laufspezialist spricht im Interview über die vergangene Saison und die Erwartungen für das nächste Jahr.
Jonny, in welcher Trainingsphase befindest Du dich aktuell und wie geht es dir körperlich?
Im Moment befinde ich mich in einer Art Übergangsphase. Ich habe nach dem Köln Marathon gehofft, dass ich beim Frankfurt Marathon nochmal starten kann, das hat sich dann aufgrund von Krankheit leider als nicht umsetzbar herausgestellt, was ohnehin auch insgesamt eine relativ riskante Aktion gewesen wäre, weil es nur drei Wochen auseinander lag. Das ist im Marathon schon echt eine sehr kurze Zeit. Ich habe mich dann mit ein bisschen Erholungszeit relativ konstant weiter im Training befunden und dann, weil es eben auch die klassische Zeit dafür ist, die Cross-Läufe mitgenommen. Das war jetzt also die letzte Wettkampfphase, die hinter mir liegt. Und jetzt bereite ich schon mal den Februar vor, in zwei Wochen geht es dann ins Trainingslager und jetzt im Moment lege ich so ein bisschen die Basis für das Trainingslager, damit ich da nicht so schnell vom ganzen Umfang umgehauen werde. Da hilft es natürlich, wenn ich jetzt schon mal ein bisschen was mache und ein bisschen die Grundlage lege, ein bisschen Umfang machen kann, ein bisschen Basis trainieren kann. Und damit geht es mir im Moment auch sehr gut, es ist natürlich etwas kalt und nass, aber das ist im Winter ja normal.
Du hast in diesem Jahr einige Rennen hinter Dich gebracht. Sowohl auf der Bahn, wo Du unter anderem in Pacé beim 10.000m Europa Cup im Nationaltrikot debütiertest, als auch auf der Straße und verschiedenen Cross-Strecken standen einige Highlights an. Wie zufrieden bist du insgesamt mit deiner diesjährigen Saison?Wie, glaube ich, viele Athleten, bin ich natürlich nicht rundum zufrieden mit der Saison. Ich glaube, dass ich ganz gut in die Saison gestartet bin mit soliden Zeiten über die 10km Straße und auch auf der Bahn. Da hatte ich ja dann auch meinen ersten Nationalmannschaft-Start auf der Bahn, ich war ja vorher bei den Aktiven schon im Cross für die Nationalmannschaft aktiv und in der U23 auch mal auf der Bahn, aber bei den Aktiven halt noch nicht auf der Bahn. Da war der 10.000m Europa-Cup in Pacé natürlich eine tolle Erfahrung, auch, wenn ich mit meiner Leistung dort nicht ganz zufrieden war. Ich habe bei den Deutschen Meisterschaften, die ich dieses Jahr tatsächlich sehr stark wahrgenommen habe, also im Halbmarathon, 10km Straße, 10.000m, 5.000m insgesamt nicht das abrufen können, was ich kann. Einige gute Leistungen, solide Leistungen waren dabei, wo ich dann mit zwei vierten und einem fünften Platz auch am Podium geschnuppert habe. Aber da wäre es natürlich schön gewesen, zumindest mal eine Medaille mitzunehmen. Das ist mir leider nicht gelungen, aber insgesamt war das doch konstant bei den Meisterschaften, die ich hatte, ein gutes Niveau, was ich anbieten konnte und damit bin ich im Grunde genommen platzierungstechnisch auch halbwegs zufrieden. Generell war es einfach ein sehr lehrreiches Jahr durch die erste Marathon-Vorbereitung, die ich machen konnte und durch den ersten Marathonversuch letztendlich auch. Deswegen bin ich insgesamt doch eigentlich zufrieden. Ich denke, das schwächste Rennen war doch leider dann die DM in Kassel, wo ich mit der Hitze nicht zurechtgekommen bin. Aber auch das ist dann auch mal so ein Misserfolg, mit dem man umgehen muss und der zum Sport dazugehört.
Auf ein Rennen müssen wir nochmals genauer zurückblicken. Es sollte dein großes Highlight werden: Marathon-Debüt bei der DM in deiner Heimatstadt Köln. Du konntest das Rennen leider nicht ins Ziel bringen. Wie siehst du das Rennen mittlerweile mit mehr Abstand und welche Schlüsse ziehst du daraus?
Ich denke, was die Marathon-DM insgesamt betrifft, kann man es natürlich so und so sehen. Also auf der einen Seite war es natürlich ein Risiko für mich, dass ich nicht einfach nur auf Platzierung gelaufen bin beim Marathon-Debüt. Und als mein letzter Konkurrent bei Kilometer 25 abgefallen ist und ich dann alleine vorne war, hätte ich das Tempo auch drosseln können und das quasi sicher nach Hause laufen können. Aber ich hatte mich relativ lange auf den Marathon vorbereitet und mir da auch, wie ich finde, ein realistisches Zeitziel gesetzt. Und das wirft man dann bei Kilometer 25 nicht einfach aus dem Fenster, auch wenn es ein bisschen wärmer ist, was ich ja auch in meine Vorbereitung mit einbezogen habe. Deswegen würde ich rückblickend, was die Strategie angeht, auch nichts anders machen. Es ist, glaube ich aber auch so, dass ich in der Vorbereitung nicht ganz so viel Risiko gegangen bin und nicht ganz so extrem harte Einheiten gemacht habe, einfach, weil es für mich das erste Mal Marathon-Vorbereitung war und ich erstmal schauen wollte, wie ich mit dem ganzen Umfang zurechtkomme und dann auch mit dem Höhentrainingslager. Das würde ich beim nächsten Marathon dann schon ein bisschen anders machen. Da würde ich sicher auch dann nochmal versuchen, in etwas höheren Intensitäten zu trainieren, das kommt jetzt aber auf jeden Fall, das war einfach ein Erfahrungswert, den ich sammeln musste. Ich denke, dass das Rennen insgesamt emotional vielleicht am schwersten zu verdauen war, aber wovon ich echt jetzt auch am meisten gelernt habe. Klar, ein Deutscher Meistertitel, das wäre für mich natürlich absolut überragend gewesen vor allem in Köln. Ich weiß nicht, ob die Chance in der Form nochmal wiederkommen wird, aber ich habe trotzdem eine Menge gelernt und die Atmosphäre bis Kilometer 35/37 war grandios. Und auch der ganze Zuspruch, den ich nach dem Lauf von den ganzen Leuten erhalten habe, hat mir sehr viel Mut gemacht und deswegen sehe ich das mittlerweile durchaus auch positiv.
Bleiben wir beim Thema Marathon: im kommenden Jahr stehen die Deutschen Marathonmeisterschaften bereits im April in Regensburg an. Eine große Motivation, dein Leistungsvermögen jetzt erst recht auf die Strecke zu bekommen?
Im nächsten Jahr werde ich voraussichtlich nicht bei den Deutschen Marathon Meisterschaften starten. Das hat den Grund, dass ich schon einen anderen Marathonstart in Angriff nehmen werde. Das wird dann im nächsten Jahr der London Marathon sein und der ist auch im April. Und da ist das Ziel für mich, einfach diese 2:12h Marke anzugreifen, von der ich glaube, dass es ein realistisches Zeitziel für mich ist. Ich war ja jetzt in Köln schon auf 2:13h Kurs bis Kilometer 35 bei wirklich nicht guten Bedingungen für einen Marathon. Es war ja schon sehr sehr warm und da erhoffe ich mir einfach bei einem etwas tieferen Feld, wo ich auch eine größere Gruppe zum Mitlaufen habe und besseren Bedingungen, dass ich dann auch eine gute Zeit laufen kann.
Wir haben dich in der Vergangenheit auch mal über die Hindernisse gesehen. Dein breites Spektrum an Strecken und „Disziplinen“ spricht für sich. Worauf soll der Fokus in Zukunft liegen? Geht es mehr in Richtung Marathon?Genau, man kann sagen, ich bin durchaus ein "Allrounder" im Laufbereich. Ich bin auch früher 800m und 1.500m ganz gut gelaufen und natürlich auch viel Hindernisse. Ich glaube, dass das Niveau über die Hindernisse gerade in Deutschland auch echt ganz gut ist, also ich wüsste jetzt nicht, wenn ich mich darauf fokussieren würde, ob ich da unbedingt ganz vorne mitlaufen könnte, das ist ein bisschen Spekulation. Ich habe es ein Jahr lang mal versucht, aber das lief leider auch nicht ganz so, wie ich mir das vorgestellt habe. Ich habe jetzt schon die Erfahrung gemacht, dass mir der Straßenlauf insgesamt ganz gut liegt und deswegen wird es perspektivisch wahrscheinlich schon eher in Richtung Marathon gehen. Auch vom Alter her passt das eigentlich ganz gut, weil ich jetzt nächstes Jahr 29 werde und man eigentlich so mit Ende 20, Anfang 30 im perfekten Alter ist, um Marathon zu laufen. Halbmarathon und 10km Straße sind für mich auch immer noch super Strecken, die ich auch weiterhin laufen werde.
Auf welche Wettkämpfe arbeitest und fieberst du in der Saison 2024 am meisten hin? Wie sehen Deine Zielvorstellungen aus?Generell ist es, was die Saisonplanung angeht, so, dass ich mich da sehr eng mit meinem Trainer Tobias Kofferschläger abstimme und, dass wir normalerweise auch nicht zu weit in die Zukunft planen. Es ist eigentlich immer so ein Jahresdrittel, in dem wir planen, also ein Viermonats-Abschnitt ungefähr, den man dann ganz überblicken kann, weil der weitere Verlauf danach immer auch ein bisschen davon abhängt, wie die Ergebnisse dann sind. Im nächsten Jahr gibt es auch einige größere Ziele, für die man sich qualifizieren kann, das ist in meinem Fall vor allem die EM in Rom, wo es einen Europacup für den Halbmarathon geben wird, der in die Leichtathletik-EM eingebettet wird. Da gibt es auch eine Teamwertung, bei der man dann starten kann. Zusätzlich gibt es noch den 10.000m Europacup, der auch eingebettet ist in die EM. Es gibt also, glaube ich, so viele Startplätze für die Langstreckler, wie bei noch keiner Europameisterschaft. Da ist mein Ziel auf jeden Fall erstmal die Norm zu laufen. Ich gehe davon aus, dass ich da über 10.000m dann wahrscheinlich so 28:30 Min oder schneller anbieten muss und für den Halbmarathon wahrscheinlich so 62:30 Min, also was knapp meine PB ist, oder sogar noch ein bisschen schneller in Richtung 62 oder knapp drunter. Das versuche ich dann im nächsten Frühjahr schon anzugreifen. Wir fliegen ja jetzt ins Trainingslager vom 26. Dezember bis 24. Januar und dann werde ich Mitte Februar versuchen, die Halbmarathonzeit, wahrscheinlich in Barcelona, zu knacken. Und dann steht der Lauf ums Bayerkreuz an, da freue ich mich auch schon extrem drauf, der ist am 03. März. Dann geht es auch schon direkt in die Marathonvorbereitung, also ich baue sozusagen so auf, dass ich erst den Halbmarathon als Unterdistanz vorbereite auch mit relativ guten Umfängen und dann geht es in die spezifische Marathonvorbereitung rein. Da werde ich dann am 04. März rüber in die USA fliegen und mich dann in Flagstaff einfinden im Höhentrainingslager bis zwei Wochen vor London. Dann bin ich also vier bis fünf Wochen in den USA und bereite den Marathon vor und dann ist das Ziel, da eine gute Zeit zu laufen und generell auch das Rennen einfach zu genießen. Bis dahin ist erstmal die Planung und alles, was danach kommt, hängt davon ab, ob ich mich dann für eine Strecke bei der EM qualifizieren kann, oder halt eben nicht. Und dann werde ich mir sicherlich noch ein zwei andere Ziele suchen.
Wir wünschen Dir ein gesundes und erfolgreiches Jahr 2024!