Kampfrichterin Andrea Schäfer: „Ein Ehrenamt, das viel Spaß macht“
Kampfrichterin Andrea Schäfer ist bei zahlreichen Wettkämpfen bis hin zu Europameisterschaften im Einsatz. Und das ehrenamtlich. Im Interview spricht die Erzieherin unter anderem über ihren Werdegang, den Umgang mit Athleten und charakterliche Fähigkeiten, die ein guter Kampfrichter mitbringen muss.
Wie bist du Kampfrichterin geworden?
Andrea Schäfer:
Ich bin in einem kleinen Verein aufgewachsen, dem TuS Ahrweiler. Wenn man selber nicht an Wettkämpfen teilgenommen hat, war es da üblich, dass man half. Mein Trainer und Abteilungsleiter war immer sehr bemüht, auch für die Kampfrichtertätigkeit neue Leute zu gewinnen. Als ich volljährig wurde, habe ich sofort meinen ersten Kampfrichterschein gemacht. Als ich meinen Partner Marc Klages bei den deutschen Senioren-Hallenmeisterschaften kennengelernt habe, bin ich nach Leverkusen gekommen. Er ist ja Kampfrichterobmann beim TSV Bayer 04. Zusammen sind wir gemeinsam Starterobleute beim Leichtathletik-Verband Nordrhein.
Früher galten Kampfrichter als penibel und pedantisch. Wie wirkt ihr diesem Image entgegen?
Andrea Schäfer:
In der Tat hat sich der Umgang der Kampfrichter mit den Athleten geändert. Das ist auch ein großes Anliegen. Wir werden in punkto Persönlichkeit und Verhalten auf dem Platz geschult. Da geht es um die Frage: Was muss ich eigentlich an charakterlichen Fähigkeiten mitbringen, um Kampfrichter zu sein? Es geht ja nicht nur um Fachwissen, sondern auch darum, wie ich mit Menschen umgehe. Es ist mir sehr wichtig, dass wir einen guten Umgang miteinander haben. Wenn man nett zu den Athleten ist, kommt das auch zurück.
Also wie man in den Wald hinein ruft, so schallt es heraus.
Andrea Schäfer:
Wir haben gemeinsam ein Konzept erarbeitet, bei dem es darum geht, den Menschen würdig zu begegnen, freundlich und authentisch. Ein guter Kampfrichter tritt unvoreingenommen und immer mit einem Lächeln auf. Es macht doch auch Spaß.
Wobei sich das Wort Richter erhaben anhört. Seid ihr in Wirklichkeit nicht eher Helfer?
Andrea Schäfer:
Das stimmt. Früher hatten die Kampfrichter besondere Jacken an, dadurch wirkten sie allein äußerlich sehr streng. Das ist heute sehr viel lockerer. Viele Kampfrichter sind früher selber Athleten gewesen. Das verändert auch den Blickwinkel, wenn man weiß, wie das ist, wenn man aufgeregt ist. Man entwickelt da ein anderes Verständnis für die Athleten, die am Start stehen.
Werden Kampfrichter manchmal auch beschummelt?
Andrea Schäfer:
Ich habe bisher noch niemanden erlebt, der bewusst betrügen wollte. Manchmal gibt es Aussetzer, bei denen die Athleten nachher selber sagen: Ich weiß auch nicht, wie das passieren konnte. Mir ist aber noch kein Athlet begegnet, dem ich in irgendeiner Weise eine Betrugsabsicht hätte unterstellen können. Ich weiß, dass das immer so im Raum schwebt. Ich kenne auch Leute, die das Athleten unterstellen. Ich kann das allerdings an nichts und niemandem festmachen. Ich war neulich bei den Deutschen Hallen-Mehrkampfmeisterschaften in Leverkusen unter anderem für die Kontrolle der Spikesdornen zuständig, auch für die Kontrolle der technischen Geräte. Ich habe da kurz drüber geschaut und an die eigene Verantwortung der Athletinnen und Athleten appelliert. Ich habe gesagt, dass ich davon ausgehe, dass sie sich an die Regeln halten. Bisher hat das unter meiner Obhut immer funktioniert.
Hängt das gute Verhältnis zwischen Kampfrichtern und Athleten auch damit zusammen, dass man sich seit Jahren kennt?
Andrea Schäfer:
Ganz sicher. Wir kennen uns ganz gut. Es gibt viele Athleten, die sich freuen, wenn sie mich am Start sehen und sagen: Hey, schön dass du wieder hier bist. Dann weiß ich, dass alles gut läuft, ich bin dann ganz entspannt. Das ist auch für mich erfreulich.
Was ist das Besondere bei Wettkämpfen mit Kindern?
Andrea Schäfer:
Kindern merkt man viel mehr die Aufregung an, sie benötigen viel mehr Beruhigung, intensivere Erklärungen zum Beispiel zum Startablauf. Je älter Athleten werden, desto weniger Zuspruch benötigen sie. Trotzdem spüre ich immer wieder, dass es auch in den Erwachsenenklassen gut ist, manche Abläufe noch einmal zu erklären. Das gehört auch in gewisser Weise zur Wettkampfvorbereitung dazu.
Du bist Erzieherin. Welche Rolle spielt diese Profession bei Wettkämpfen mit Kindern?
Andrea Schäfer:
Mein Partner behauptet immer, ich sei da zu weich. Ich sehe das anders. Ich kann mich gut in die Kinder rein versetzen. Es ist für sie alles total aufregend, vor allem wenn sie teilweise ohne ihre Trainer am Start stehen und ohne Eltern unterwegs sind. Mir bereiten Wettkämpfe mit Kindern besonders viel Spaß.
Bei welchen hochrangigen Wettkämpfen warst du schon im Einsatz?
Andrea Schäfer:
Ich war 2014 bei den Team-Europameisterschaften in Braunschweig, 2018 bei den Europameisterschaften in Berlin. Beim PSD Bank-Meeting in Düsseldorf war ich einige Jahre dabei, 2019 und in diesem Jahr als Startkoordinatorin, in den Jahren davor als Starterin.
Kann man als Kampfrichterin Geld verdienen?
Andrea Schäfer:
Nein, definitiv nicht. Es ist ein reines Ehrenamt. Es gibt eine kleine Aufwandsentschädigung. Es kommen doch einige Veranstaltungen im Jahr zusammen. Im Sommer ist es durchaus möglich, dass man drei Monate ohne ein freies Wochenende verbringt. Aber ich mache es gerne, sonst würde ich das nicht machen. Das geht nur, wenn man echt viel Spaß daran hat.
Die Fragen stellte Harald Koken.