Tolle Ausbeute: EM-Gold und -Silber für Bayer
Konstanze Klosterhalfen mit ihrem 5000-Meter-Sieg und Stabhochspringer Bo Kanda Lita Baehre mit Platz zwei haben in München überzeugt.
Es waren mitreißende European Championships in München, mit faszinierenden Leichtathletik-Wettbewerben im Olympiastadion, und mittendrin ein kleines Leverkusener Team, das mit dem Sieg von Konstanze „Koko“ Klosterhalfen über 5000 Meter und Platz zwei von Stabhochspringer Bo Kanda Lita Baehre zufrieden zurückkehrte und sich nun auf die #TrueAthletes Classics freut. Beim gemeinsam mit dem deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) veranstalteten Meeting am Sonntag ab 12.30 Uhr auf der eigenen Anlage in Leverkusen können sich die Bayer-Athleten am Ende einer aufregenden Saison noch einmal den eigenen Fans präsentieren und es ganz ohne Druck mit hochkarätiger internationaler Konkurrenz aufnehmen.
Konstanze Klosterhalfen kann die 1500 Meter ganz befreit angehen. Mit ihrem Sieg in München hat die 25-Jährige bewiesen, dass sie nach zwei schwierigen Jahren wieder ganz oben mitmischen kann. Unter dem grenzenlosen Jubel des Münchner Publikums war die WM-Dritte von 2019 allen davon und zu ihrem ersten internationalen Titelgewinn gestürmt. In 14:50,47 Minuten holte sie über 5000 Meter Gold mit deutlichem Vorsprung auf Yasemin Can aus der Türkei (14:56,91) und Eilish McColgan aus Großbritannien (1:59,34). Sie rannte der Siegerin und der Zweitplatzierte des 10.000-Meter-Laufs einfach davon.
„Ich kann es nicht glauben. Es ist ein Traum. Das ist das Letzte, womit ich gerechnet habe“, sagte die Bayer-Spitzenläuferin am ARD-Mikrofon. Dabei stand ihr Start auf der Kippe, sie selbst war über 10.000 Meter Vierte geworden und schien geschwächt, ihr amerikanischer Coach Pete Julian riet ihr, zu pausieren. Doch das wollte sie nicht, sie wollte tun, was sie liebt, und sagte anschließend: „Ich bin für die Zuschauer gelaufen, ich bin für mich gelaufen. Ich bin unfassbar glücklich.“ Nach zwei harten Jahren mit vielen Rückschlägen hatte sie sich gereift mit perfekter Renntaktik präsentiert: Sie blieb gelassen, als Can einen Zwischenspurt einlegte, kämpfte sich Stück für Stück wieder an die Türkin heran und packte schließlich bei einer phänomenalen Schlussrunde ihr ganzes Können aus.
Für weiteren Bayer-Jubel sorgte schließlich Stabhochspringer Bo Kanda Lita Baehre: mit übersprungenen 5,85 Metern eroberte er Platz zwei hinter dem schwedischen Weltrekordhalter Armand Duplantis (6,06 Meter, Meisterschaftsrekord). Bronze ging an den Norweger Pal Haugen Lillefosse (5,75 Meter). Lita Baehres Klubkollege Torben Blech, der endlich seinen Qualifikations-Fluch gebrochen und es ins Finale geschafft hatte, kam nicht über die Anfangshöhe von 5,50 Meter hinaus und wurde Achter.
Seine erste internationale Medaille bei den Erwachsenen, gewonnen vor Heim-Publikum in München, bezeichnete der 23 Jahre alte Lita Baehre in der ARD als „großes Geschenk“. Zufrieden sei er aber noch lange nicht. „Ich will gewinnen!“ Deshalb werde er sich in den kommenden Jahren gegen die Übermacht des Schweden Duplantis stemmen: „Das war noch ein Arschtritt mehr, dass ich noch mehr arbeite, dass ich ihn eines Tages auf jeden Fall schlagen kann.“ Zunächst gilt es aber, am Sonntag im heimischen Manforter Stadion gegen Blech, den Nationalmannschaftskollegen Oleg Zernikel und den WM-Dritten Ernest Obiena noch einmal zu überzeugen.
Die übrigen EM-Starter des TSV Bayer 04 Leverkusen sammelten in München wichtige Erfahrungen – und mussten zum Teil auch mit Enttäuschungen leben. Etwa Ex-Europameister Mateusz Przybylko, der seinen Titel im Hochsprung nicht verteidigen konnte. Bei 2,23 Meter war für ihn Schluss, damit wurde er Sechster, der Frust war groß. „Was die Form angeht, hat er ein enormes Niveau“, sagte Przybylkos Coach Hans-Jörg Thomaskamp: „Was fehlt ist die Sicherheit, die zu Konstanz führt bezüglich der technischen Realisation. Hinzu kommt Nervosität nach der langen Zeit ohne internationale Finals und vor dem Hintergrund der sich eröffnenden Möglichkeiten.“ Inzwischen habe sich der 30-Järhige erholt und sei fest entschlossen, seine gute Form noch einmal zu zeigen: Auch beim Heimspiel am Sonntag in Leverkusen.
Ganz neue Möglichkeiten hatten sich auch für Hochspringerin Bianca Stichling eröffnet. Mit ihrer Steigerung in dieser Saison auf 1,90 Meter hatte sie unverhofft ein EM-Ticket ergattert. Sie überstand die Qualifikation zwar nicht, aber Thomaskamp betonte: „Das war eine wertvolle Erfahrung für jemanden, der im letzten Jahr noch keinen ernsthaften Gedanken an DM-Titel oder EM-Teilnahme hatte.“
Dreispringerin Kristin Gierisch scheiterte ebenfalls in der Qualifikation, 13,59 Metern reichten nicht fürs Finale und sie musste zudem um ihren Deutschen Rekord (14,61 Meter) bangen. Nationalmannschaftskollegin Neele Eckhardt-Noack aus Göttingen schob sich bis auf acht Zentimeter an Gierischs Bestmarke heran (im Finale wurde sie mit 14,43 Metern Vierte). Nach einer kürzlich überstandenen Corona-Infektion fehlte es Gierisch an Kraft. Bei leichtathletik.de sagte sie: „Der Run bis zum Balken ist gut, der Absprung klappt auch gut, aber ich bekomme die Power dann nicht zum Boden. Es ist jetzt, wie es ist. Ich muss es akzeptieren.“
Besonders unglücklich endete die EM für Bayer-Siebenkämpferin Sophie Weißenberg. Sie musste vor dem abschließenden 800-Meter-Lauf völlig entkräftet aufgeben. Schon die 200 Meter am Ende des ersten Tages fielen ihr extrem schwer, sie hatte Kopfschmerzen und Luftnot. Ein Corona-Test am nächsten Morgen war negativ. Also trat sie wieder an, schaffte im Weitsprung tolle 6,35 Meter und steuerte nach dem Speerwerfen auf Platz fünf zu – doch ihr gingen zunehmend die Kräfte aus. Auf Grund deutlicher Erkältungs- und Erschöpfungssymptome nahmen die Trainer sie schließlich aus dem Wettbewerb.
„Sie hat gekämpft wie eine Löwin“, sagte ihr Coach Jörg Roos, „aber es ging nicht mehr, sie war so geschwächt, sie hätte keine zwei Stadion-Runden joggen können“. Nach ihrem Aus bei der WM nach drei Fehlversuchen im Weitsprung war dieser erneute Ausstieg bei einem Großereignis für die 24-Jährige schwer zu verkraften. „Für Sophie ist das sehr schlimm, sie ist am Boden zerstört, wir versuchen alles, können sie aber kaum trösten“, berichtete Roos. Und am nächsten Tag stellte sich auch noch heraus, dass sie sich doch mit Corona infiziert hatte.
Wer die Leverkusener Leichtathleten am Sonntag bei ihrem Heimspiel unterstützen möchte, sollte sich unbedingt Tickets besorgen. Die gibt es hier:
https://www.ticketmaster.de/event/472953
Fotos: Gladys Chai von der Laage